16.05.2023 - Kommentare
Die Trendwende am Immobilienmarkt lässt erahnen, dass dort größere Risiken schlummern. Was können sich die Käufer noch leisten und was macht die Preiskorrektur mit den Banken?
Das Vermögen der Deutschen litt im ersten Quartal dieses Jahres erneut unter einem Preisverfall. Es ist der dritte Preisverfall in Folge und der höchste Preisverfall für Vermögenswerte seit der Finanzkrise. Dies liegt vor allem daran, dass das wichtigste Vermögensgut der Deutschen, die Immobilie, langsam, aber sicher im Preis fällt. Im Vergleich zu ihrem Allzeithoch wurden Immobilien Anfang dieses Jahres um knapp fünf Prozent günstiger als zu ihrem allzeit Hoch vor neun Monaten gehandelt.1 Doch gegeben der veränderten Lage am Immobilienmarkt fällt diese Preiskorrektur bislang viel zu gering aus.
Was können sich Käufer noch leisten?
Wer mit dem Gedanken spielt, eine Immobilie für sich und seine Familie zu erwerben, stellt schnell fest, dass der bisherige Preisrückgang keinen Ausgleich für die gestiegenen Hypothekenzinsen darstellt. Der durchschnittliche Hypothekenzins ist seit seinem Allzeittief im Jahr 2021 um rund drei Prozentpunkte angestiegen. Bei dem durchschnittlichen Darlehn der letzten Jahre2 steigt dadurch die monatliche Kreditbelastung für Käufer um 44 Prozent (siehe Tabelle, mittlere Spalte).
Ist das Budget des Käufers jedoch auf die monatliche Belastung vor dem Zinsanstieg beschränkt, so kann sich gegeben der gleichen Restschuld und nun höheren Zinsen der Käufer nur noch maximal einen Kredit von 240.000 Euro leisten (rechte Spalte der Tabelle). Bei gleichem Finanzierungsanteil müsste der Kaufpreis des Objekts um 20 Prozent fallen, damit das Objekt für den Käufer erschwinglich bleibt.
Sanierungskosten für ältere Bestandsimmobilien wurden hierbei noch gar nicht berücksichtigt. Ein Blick in die Transaktionsdetails der Plattform Europace3 zeigt, dass Bestandsimmobilien deutlich stärker als das durchschnittliche Objekt im Preis gefallen sind. Sie wurden jüngst sogar 12% günstiger als zum Allzeit hoch letzten Jahres gehandelt, während Neubauten sogar im Preis leicht zulegten. Dies lässt erahnen, dass die erwarteten Sanierungskosten den Unterschied ausmachen.
Sanierungskosten auf Grund einer unzureichenden Energieeffizienz können bei älteren Objekten schnell 400 Euro je Quadratmeter betragen. Bei einem durchschnittlichen Kaufpreis von 3.300 Euro je Quadratmeter würde dies ein Absinken des Preises um 12,1 Prozent bedeuten, der notwendig ist, damit das Objekt zum gleichen Preis vermietet werden kann.4
Die Summe aus Preisrückgang durch gestiegene Finanzierungs- und Sanierungskosten legt ein Preiskorrekturpotential am Immobilienmarkt von 32 Prozent zu Tage.
Immobilien als Geldanlage
Wer eine Immobilie als Geldanlage in Betracht zieht, muss neu rechnen. Gehen wir wieder von dem durchschnittlichen Preis von 3.300 Euro pro Quadratmeter aus, dann ergibt sich bei einer durchschnittlichen Monatsmiete von 9,50 Euro pro Quadratmeter eine Jahresrendite von 3,45 Prozent5. Daraus konnten bislang Zinskosten von 1 Prozent, Instandhaltungskosten von 2 Prozent und Verwaltungskosten von 0,45 Prozent bezahlt werden. Steigt nun der Zins von 1 Prozent auf 4 Prozent, klettert die notwendige Rendite auf 6,45 Prozent. Wenn nun die Miete nicht steigen darf, rechnet sich die Anlage nur noch bei einem Quadratmeterpreis von 1.767 Euro6. Zieht man davon eine erwartete Sanierung zur Steigerung der Energieeffizient von 400 Euro ab, fällt der kostendeckende Preis auf rund 1.367 Euro. Die ökonomische Bewertung der Immobilienanlage fällt also um insgesamt 59 Prozent.
Das grob abgeschätzte und möglicherweise auch zu pessimistische Korrekturpotential für Eigenerwerb und Anlage deutet an, dass mit den bislang beobachteten Preisrückgängen erst ein erster Schritt in Richtung Preisverfall gegangen wurde.
Was droht der deutschen Bankenlandschaft bei solch einer Preiskorrektur?
Die Summe der Wohnungsbaukredite deutscher Banken belief sich Ende des Jahres 2022 auf 1.800 Milliarden Euro7. Nimmt man an, dass die Banken rund 80 Prozent der Immobilienwerte finanziert haben, würde ein Wertverlust in beschriebener Höhe einer potentiellen Wertkorrektur von rund 460 Milliarden bis 840 Milliarden Euro im Kreditbestand der Banken führen. Dies würde einen erheblichen Anteil des Eigenkapitals der deutschen Banken, welches Ende 2022 bei 445 Mrd. Euro lag8, aufzehren oder sogar überschreiten.
Bislang sind keine besonderen Verluste in den Bankbilanzen, die der Finanzierung von Immobilien entstammen, aufgezeigt worden, da Hypothekenkredite zu Nominalwerten und nicht zu Marktwerten bilanziert werden.
Der Verkaufsdruck auf deutsche Immobilienbesitzer ist bislang gering, da die Arbeitslosigkeit niedrig, die Sanierungsanforderungen unklar und die Liquidität privater Haushalte verhältnismäßig hoch ist. Auch besteht die Hoffnung, dass nominale oder reale Lohnsteigerungen höhere Mieteinnahmen ermöglichen und den Wertverlusten so entgegenwirken. Und letztlich ist das Angebot weiterhin knapp, da von Seiten der Neubauaktivität keine Entlastung kommt.9
Sollte sich das Bild ändern und sich die Preiskorrekturen einstellen, könnte dies für die deutsche Bankenlandschaft zu einem ernsthaften Problem werden. Was ein Preisverfall von Vermögenswerten auslösen kann, haben uns die Anleihemärkte in den letzten Monaten am Beispiel von Banken aus der Schweiz und den USA gelehrt und die Märkte zittern lassen.
1 Basierend auf Auswertung von Europace: Durchschnittliches Darlehn 300T€, Restschuld bei Refinanzierung knapp über 60%, Hypothekenzinsanstieg um drei Prozentpunkte. Kaufnebenkosten wurden nicht berücksichtigt.
2 Wie berechnet im Vermögenspreisindex für Deutschland Q1-2023.
3 Die Plattform Europace schätzt Preisveränderungen am deutschen Immobilienmarkt, anhand von Transaktionen, die auf rund 20% aller kreditfinanzierten Käufe ausmachen. Die dem Vermögenspreisindex zugrundeliegenden Statistiken zu Immobilienpreise basieren auf Daten von vdpResearch, die rund 80 Prozent aller Transaktionen berücksichtigen, jedoch keine separaten Statistiken zu Bestand und Neubau ausweisen.
4 Durchschnittlicher Quadratmeterpreis von 3.300 Euro je m² (Quelle: Immowelt) und Kosten für energetische Sanierung von 400 Euro je m² (Quelle: wohnglueck.de) ergeben: (3.300 - 400)/ 3.300 - 1 = -12,1%.
5 Bei einer Monatsmiete von 9,50 Euro je m² (Quelle: Immowelt) und Kaufpreis von 3,300 Euro je m² (Quelle: Immowelt) liegt die Jahresrendite bei 3,5 %.
6 Steigt die geforderte Rendite durch einen Anstieg der (Hypotheken-) Zinsen um 3% auf 6,5% fällt der Wert auf 1,767 Euro je m² (=12*9,5/6,5%) bzw. um -46,5 %. Zuzüglichen der 400 Euro je m² Sanierungskosten, bzw. -12% ergibt sich gerundet ein Preisverfall von 59%
7 Vgl. Statista: Wohnungsbaukredite der Banken in Deutschland an inländische Unternehmen und Privatpersonen Q4-2022: 1.744 Mrd. Euro.
8 Deutsche Bundesbank: Bankenstatistiken, Mai 2023.
9 Siehe Statistisches Bundesamt, März 2023.
15.05.2023 - Vermögenspreisindex
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