19.11.2024 - Kommentare

Sie ist zurück! Und führt nichts Gutes im Schilde

von Philipp Immenkötter


Sieben Quartale versteckte sie sich, doch nun zeigt sie sich wieder. Die Vermögenspreisinflation ist zurück. Vermögenswerte, wie Sach- und Finanzgüter, sind in Deutschland wieder teurer geworden. Der Preisanstieg ist bislang noch zaghaft. Ein Prozent liegen die Preise über dem jüngsten Tal und noch sieben Prozent unterhalb des Höchstwerts im Jahr 2022. Trotzdem könnten sie bald wieder deutlich nach oben gehen.

Des einen Freud, des anderen Leid

Die Vermögenspreisinflation ist ein zweischneidiges Schwert. Aktionäre, Immobilienbesitzer oder Unternehmer können sich über die steigenden Preise ihrer Vermögensgüter freuen. Die Vermögenswerte lassen sich zu einem höheren Preis verkaufen oder stellen ein größeres Kollateral für einen Kredit dar, um weitere Käufe oder Investitionen zu tätigen.

Wer jedoch nur über ein geringes oder gar kein Vermögen verfügt oder sein Vermögen auf Sparbüchern oder Tagesgeldkonten parkt, den trifft die Vermögenspreisinflation hart. Möchte man für das Alter vorsorgen, Vermögen aufbauen oder gar eine Immobilie erwerben, so bekommt man nun weniger für sein hart erarbeitetes Geld. Im schlimmsten Fall sind Immobilien so teuer geworden, dass man sie sich gar nicht mehr leisten kann.

Innerhalb der vergangenen zehn Jahre sind die Vermögenspreise für private deutsche Haushalte um 43 % angestiegen, wie auf Abbildung 1 zu sehen. Ein Haushalt muss nun wesentlich mehr als noch vor zehn Jahren für den Vermögensaufbau ausgeben. Der Anstieg der Nominallöhne in diesem Zeitraum kann mit +30 % dies nicht ausgleichen. Besonders stark war der Anstieg der Vermögenspreise relativ zu den Nominallöhnen in den Jahren 2018 bis zum Jahr 2021.

Anschließend verringerte sich der Abstand zwischen Löhnen und Vermögenspreisen, was zunächst nach einer guten Nachricht klingt. Doch auch die Verbraucherpreise legten in dieser Phase deutlich zu. Private Haushalte konnten also trotz fallender Vermögenspreise nicht leichter in Vermögensgüter investieren, da ein größerer Anteil ihres Einkommens durch Verbrauchsgüter aufgezehrt wurde.

Die Verlierer der Vermögenspreisinflation sind junge Haushalte und Haushalte mit einem geringen Vermögensbestand bzw. Einkommen, die nur in den wenigsten Fällen über Immobilien, einen eigenen Betrieb oder ein umfangreiches Aktiendepot verfügen. Ältere Haushalte und Haushalte mit einem hohen Vermögensbestand sind hingegen die Profiteure, da sie die entsprechenden Vermögensgüter häufig ihr Eigen nennen können.

Im Querschnitt des Vermögens privater Haushalte offenbart sich das Problem. Die Preise für das Vermögen wohlhabender Haushalte waren bis zum Jahr 2021 steil angestiegen (Abbildung 2). In der unteren Mittelschicht gab es diesen Preisanstieg jedoch nicht. Der Grund liegt in der Zusammensetzung des Privatvermögens. Weniger wohlhabende Haushalte haben einen höheren Anteil ihres Vermögens in Form von Sparguthaben, die keinen Preisanstieg erfahren haben. So wurde es für weniger wohlhabende Haushalte immer schwerer in die Güter der wohlhabenden Haushalte zu investieren und zu ihnen aufzuschließen.

Wie kam es zu der Vermögenspreisinflation?

Der wichtigste Faktor für die Vermögenspreise in Deutschland ist der Zins. Rund 60 Prozent des Vermögens privater Haushalte entfällt auf Immobilien. In Zeiten niedriger Zinsen sind Hypothekenkredite günstig und stärken die Nachfrage nach Immobilien. Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Immobilienpreise in Deutschland seit dem Jahr 2005. In der Niedrigzinsphase der Jahre 2009 bis 2021 erfuhren Immobilien einen enormen Preisanstieg. Erst durch den Anstieg der Leit- und Marktzinsen im Jahr 2022, begannen die Preise für Immobilien mit etwas Verzögerung zu sinken. Jedoch war der Preisrückgang an den Immobilienmärkten nur von kurzer Dauer. Und zum Leidwesen der Kaufinteressenten stiegen die Kosten für Sanierung und Bau, so dass der Preisrückgang durch die höheren Kosten absorbiert wurde.

Neben den Immobilienpreisen reagierten auch die Preise von Aktien und Betriebsvermögen, die die zukünftige Ertragskraft der Unternehmen widerspiegeln, auf das Zinsniveau. Mit niedrigen Zinsen ist der Gegenwartswert zukünftiger Erträge höher. Abbildung 4 zeigt, wie es nach der Finanzkrise zu einem langen Anstieg der Preise für Aktien und Betriebsvermögen kam, die im Jahr 2021 ihren vorläufigen Höchststand erreichten. Beispielsweise verdoppelte sich vom Jahr 2014 auf das Jahr 2021 der Preis für Betriebsvermögen, obwohl die erwarteten Erträge bei weitem nicht so stark zulegten. Als die Zinsen im Jahr 2021 schließlich wieder anstiegen, fielen die Preise für Aktien und Betriebsvermögen. Durch die Erwartung fallender Zinsen legten ab der zweiten Jahreshälfte 2022 die Preise wieder zu.

Doch was hat die jüngsten Bewegungen im Zins geprägt?

Der jüngste Zinsverfall hängt eng mit der Entwicklung der Verbraucherpreise in der Eurozone zusammen. Als Reaktion auf den Anstieg der Verbraucherpreise Ende des Jahres 2021, wurden festverzinsliche Wertpapiere zunehmend abverkauft, wenn ihre Rendite unterhalb der Verbraucherpreisinflation lag. Abbildung 5 zeigt, dass die Zinsen an den Rentenmärkten als Antwort auf die Verbraucherpreisinflation anstiegen. Ebenso haben die Zentralbanken die Leitzinsen angehoben, in der Hoffnung, dass sie so die Verbraucherpreisinflation eindämmen können. Als die Verbraucherpreisinflation nachließ, senkte die EZB im Jahr 2024 die Zinsen. Auch an den Anleihemärkten fielen die Zinsen etwas ab.

Und was hat die Verbraucherpreise getragen?

Die Ursachen der Verbraucherpreisinflation sind vielschichtig, doch im Zentrum stehen die Geldpolitik der EZB und die Finanzpolitik der Regierungen im Euroraum. Seit dem Jahr 2014 hat die EZB die Geldmenge in der Eurozone durch Zinssenkungen und Anleihekäufe massiv ausgeweitet (Abbildung 6). Da das neu geschaffene Geld primär an den Finanz- und Immobilienmärkten zirkulierte, erhöhte es die Verbraucherpreise nicht, dafür aber die Vermögenspreise. Erst als die Coronakrise einsetzte und die Staaten zusätzlich neu geschaffenes Geld direkt an die Bevölkerung verteilten, gleichzeitig aber die Konsummöglichkeiten stark einschränkten, kam es mit etwas Verzögerung zu einem deutlichen Anstieg der Verbraucherpreisinflation.

Schlussendlich findet die Vermögenspreisinflation ihren Ursprung in der Geld- und Finanzpolitik. Auch wenn es das Ziel des billigen Geldes und der stark steigenden Staatsausgaben war, Wachstum und Beschäftigung zu stabilisieren, so ging dies nicht ohne die Nebenwirkung der Vermögenspreisinflation einher. Diese hat sehr ungerechte Verteilungseffekte, die zur politischen Polarisierung beitragen können.

Da aktuell weitere Leitzinssenkungen der EZB erwartet werden, dürften die Vermögenspreise in Zukunft weiter anziehen. Für viele Bürgerinnen und Bürger wird so der Vermögensaufbau, die Altersvorsorge oder auch das ersehnte Eigenheim weiter in die Ferne rücken.

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