12.05.2020 - Kommentare

Insiderkäufe in der Corona-Krise: Vertrauensbeweis oder Signal ohne Wert?

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Die große Verunsicherung im Zuge der Corona-Pandemie führte an den Märkten zu einer nie erlebten Abwärtsdynamik. Der DAX rauschte zwischen Mitte Februar und Mitte März innerhalb von nur vier Wochen um 40 Prozent nach unten. Vom schnellsten Bärenmarkt aller Zeiten war allenthalben zu lesen, Vergleiche mit den Börsencrashs von 1929 oder 1987 wurden angestellt. Während die eine Gruppe von Investoren in Schockstarre verfiel, sahen andere, insbesondere langfristig orientierte Anleger, im historischen Kurssturz eine einmalige Kaufgelegenheit. Denn schließlich wurden auch Unternehmen, die über resiliente Geschäftsmodelle und solide Bilanzen verfügen, kurzum eine hohe Krisenresistenz aufweisen, vom Kurssturz erfasst. Und dieser sollte doch für die robusten unter ihnen nur temporärer Natur sein, so die Optimisten. Doch wie lässt sich in Zeiten großer wirtschaftlicher Ungewissheit die Spreu vom Weizen trennen? Neben den beschriebenen fundamentalen Faktoren könnte auch ein Blick auf die Transaktionen der Insider lohnend sein.

Als Insider verfügen Vorstände und Aufsichtsräte über einen gewissen Informationsvorsprung gegenüber dem Markt. Zwar dürfen auch sie keine börsenrelevanten Informationen nutzen, die der Öffentlichkeit nicht bereits zuvor per ad-hoc Mitteilung zugänglich gemacht wurden. Dennoch darf man wohl davon ausgehen, dass es gerade die Verantwortlichen in den Führungsetagen sein sollten, die in der Lage sind, durch die Krise „hindurchzuschauen“ um die längerfristigen Zukunftsaussichten eines Unternehmens vergleichsweise präzise einschätzen zu können. Über eine Auswertung der von Insidern getätigten Käufe und Verkäufe lässt sich ein Eindruck davon gewinnen, ob die Verantwortlichen eher verhalten oder zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Tabelle 1 stellt die Käufe und Verkäufe der Insider aus DAX und MDAX seit Ausbruch der Krise den getätigten Transaktionen im Vorfeld der Krise gegenüber. Als Vorkrisenzeitraum gelten die Monate November 2019 bis Januar 2020, während die Monate Februar bis April 2020 als Krisenzeitraum definiert sind.1 In Bezug auf die getätigten Käufe zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Handelsaktivität. Sowohl das Volumen als auch die Anzahl der Insiderkäufe sind mit dem Ausbruch der Krise deutlich gestiegen. Dies gilt sowohl für Vorstände als auch für Mitglieder des Aufsichtsrats. Kauften die Vorstandsmitglieder aus DAX und MDAX in den drei Monaten vor Ausbruch der Krise im Rahmen von nur 17 Geschäften eigene Aktien im Gegenwert von gerade einmal 2,8 Mio. Euro, so stieg dieser Wert auf 14,4 Mio. Euro bei 99 gemeldeten Geschäften an. Demgegenüber ist das Volumen der Verkäufe von 3,9 Mio. Euro auf 0,7 Mio. Euro zurückgegangen. Der starke Anstieg ist dabei auf die CEOs und die übrigen Vorstandsmitglieder zurückzuführen, während die CFOs offensichtlich etwas zurückhaltender waren. Zudem fällt auf, dass kein einziger CEO oder CFO im Krisenzeitraum Aktien des eigenen Unternehmens verkaufte. So sehr ein Kauf als Vertrauensbeweis gewertet werden mag, so verheerend wäre das Signal, das aus einem Verkauf bei ohnehin hoher wirtschaftlicher Unsicherheit hervorginge.

Begründet wird die Anzeigepflicht von Eigengeschäften mit dem wichtigen Beitrag zur Prävention von Insidergeschäften und Marktmanipulation. Zudem sei die Kenntnis über die Geschäfte für den Markt von großer Bedeutung, da die Transaktionen Anhaltspunkte über die Einschätzung der weiteren Geschäftsaussichten durch die Unternehmensleitung gäben. Spiegelt man diese Begründung mit der Anzahl der getätigten Transaktionen, so könnte man aus den Zahlen Hoffnung für die Entwicklung der kommenden Quartale schöpfen.

Allerdings hat das Corona-Virus vielen Managern deutlich vor Augen geführt, dass es gerade die exogenen Faktoren sind, die außerhalb des unternehmerischen Einflussbereiches liegen, die in dramatischer Art und Weise Einfluss auf die Unternehmenswertentwicklung nehmen können.  Vielmehr noch muss man konstatieren, dass ein mittleres Kaufvolumen von nicht einmal 100.000 Euro bei einem Jahresgehalt von mehreren Millionen Euro kaum als glaubwürdiges Signal taugt. Käufe, bei denen ein Vorstandsmitglied bedeutende Teile seines Gehalts in die eigene Aktie investiert, sind im Beobachtungszeitraum die absolute Ausnahme. Auch wenn Timing-Überlegungen für den intrinsisch motivierten Manager bei der Investition in die eigene Aktie eine untergeordnete Rolle spielen sollten, wären die gesunkenen Kurse zweifelsohne eine günstige Gelegenheit gewesen, um über ein signifikantes finanzielles Engagement Vertrauen zu erzeugen. So muss man leider konstatieren: „Skin in the game“ sieht anders aus.

 

*Rechtlicher Hintergrund: Die rechtlichen Grundlagen zu meldepflichtigen Geschäften von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern sind seit dem Jahr 2016 durch Artikel 19 der Marktmissbrauchsverordnung geregelt. Hiernach sind Eigengeschäfte von Führungskräften in Anteilen oder Schuldtiteln oder damit verbundenen Derivaten oder anderen damit verbundenen Finanzinstrumenten innerhalb von drei Tagen der BaFin zu melden, sobald diese insgesamt einen Betrag von 5.000 Euro bis zum Ende des Kalenderjahres erreicht haben. Zu Beginn des Jahres 2020 hatte die BaFin mit dem Verweis auf die geringfügige Signalwirkung beschlossen, die Meldeschwelle für Eigengeschäfte auf 20.000 Euro angehoben.


1 Da viele der Unternehmen Mitte Februar ihre Geschäftsberichte veröffentlichen, fällt das in der Marktmissbrauchsverordnung verankerte 30-tägige Handelsverbot im Vorfeld der Veröffentlichung der Berichte in etwa zu gleichen Teilen in beide Zeiträume.

 

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