13.07.2020 - Kommentare

Wer nützt Europa und dem Westen? Trump oder Biden?

von Norbert F. Tofall


US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden führt zwar in den derzeitigen Umfragen zur US-Präsidentenwahl am 3. November 2020, er hat gegen Donald Trump aber noch längst nicht gewonnen. In den auf realclearpolitics.com zusammengefaßten Umfragen würden mit heutigem Stand (13.7.2020; 9:30 Uhr MEZ) 49,3 Prozent der Wähler für Biden als US-Präsident stimmen und nur 40,3 Prozent für Trump. Auf Biden entfallen laut realclearpolitics.com derzeit 222 Wahlmänner, auf Trump nur 125. Da jedoch 191 Wahlmänner nicht eindeutig einem Kandidaten zugeordnet werden können, ist der Ausgang der Wahl noch offen. Und in vier Monaten kann politisch noch sehr viel geschehen.

Joe Biden vertritt – nicht zuletzt um den wichtigen linken Flügel der demokratischen Partei einzubinden – eine sehr ausgeprägte sozialdemokratische Wirtschaftspolitik, die unter anderem auf eine Erhöhung der corporate tax von 21 auf 28 Prozent setzt. Dagegen kommt die Wirtschaftspolitik von Donald Trump eher wirtschaftsfreundlich daher, ist jedoch alles andere als liberal und ordnungspolitisch konsistent. Trumps Manie, komplexe Systeme wie die Wirtschaft oder die internationalen Beziehungen durch Befehle und Anordnungen lenken zu wollen, ist das genaue Gegenteil einer Befolgung von allgemeinen und abstrakten Regeln. Im Grunde tritt Joe Biden als ein left wing protectionist auf, während Trump ein right wing protectionist ist. Mit klassischem Liberalismus und Ordnungspolitik haben beide wenig am Hut (wobei Biden aufgrund seiner Wandlungen in der Vergangenheit ein marktliberalerer künftiger Kurs eher zuzutrauen ist als Trump).

Bezüglich China wollen sowohl der Demokrat Biden und seine Demokratische Partei als auch der Republikaner Trump und seine Republikanische Partei den wirtschaftlichen und militärischen Aufstieg Chinas zur neuen globalen Hegemonialmacht verhindern. Von diesem geopolitischen Konflikt zwischen China und den USA können sich Europa und die Europäischen Union nicht abkoppeln. In ihrem derzeitigen ökonomischen und politischen Zustand können Europa und die EU diesen Konflikt alleine – also als ernstzunehmender geopolitischer Globalplayer oder als dritte globale Kraft – aber auch nicht nennenswert beeinflussen. In ihrem derzeitigen ökonomischen und politischen Zustand besteht sogar die Gefahr, daß Europa und die EU auf Dauer nicht einmal als selbständige Macht bestehen bleiben werden. Bereits heute ist erkennbar, welche Keile China zwischen europäische Staaten in Form von ökonomischen Abhängigkeiten schiebt und so den ökonomischen und politischen Zustand Europas und der EU zielgerichtet ausnutzt.

Aber auch die USA werden alleine den ökonomischen und militärischen Aufstieg Chinas nicht in Bahnen drücken können, in welchen China das gleiche Recht für alle im Welthandel und den internationalen Beziehungen aus purem Eigeninteresse anerkennen müßte. Anders wäre das bei einer Renaissance der transatlantischen Beziehungen oder gar einer globalen freiheitlichen Allianz, die aus den USA, der EU, Großbritannien, Australien, Neuseeland sowie Japan und weitere pazifische Staaten wie Singapur und Südkorea bestehen könnte.

Und genau bezüglich dieser durchaus nicht unrealistischen geopolitischen Option, die über eine Wiederbelebung des transatlantischen Freihandelshandelsabkommens TTIP in Verbindung mit dem transpazifischen Freihandelsabkommen TPP erste Konturen gewinnen könnte, besteht ein entscheidender Unterschied zwischen Joe Biden und Donald Trump. Denn Donald Trump erliegt nicht nur der Hybris, er und die USA könnten China alleine einhegen. Trump zerstört aufgrund seiner Egomanie darüber hinaus sogar die Beziehungen zu befreundeten Ländern und die Funktionalität internationaler Organisationen, was im Ergebnis dazu führt, daß Trump China geradezu den Weg für gesteigerten ökonomischen, politischen und militärischen Einfluß in den internationalen Beziehungen und internationalen Organisationen freiräumt. Aus der durchaus berechtigten Kritik an einzelnen Versäumnissen der WTO oder der WHO den Schluß zu ziehen, sich aus diesen Organisationen zurückzuziehen anstatt sich mit Führungsstärke und Kooperationswillen dafür einzusetzen, daß diese Versäumnisse beendet und Verbesserungen umgesetzt werden, verringert den Einfluß und die Macht der USA, anstatt sie zu verteidigen und auszubauen. Joe Bidens Ankündigung, nach einem Wahlsieg, den Austritt der USA aus der WHO rückgängig zu machen, ist deshalb ein hoffnungsvolles Zeichen, daß die USA bei einem Wahlsieg von Joe Biden die Beziehungen zu ihren westlichen Partnern und die Kooperation in internationalen Organisation verbessern könnten.

Das ist allerdings mitnichten ein Freifahrtschein für Europa und die Europäische Union, die bisherigen Fehler fortzusetzen. Innerhalb der NATO wird auch ein Präsident Biden auf die Umsetzung der finanziellen Zusagen der europäischen NATO-Mitgliedsländer und insbesondere Deutschlands bestehen. Daß die Bundesrepublik Deutschland immer noch nicht das zugesagte 2-Prozent-Ziel (vom BIP) bei den Verteidigungsausgaben erfüllt, ist nicht hinnehmbar. Ein Partner, der seine finanziellen Zusagen nicht einhält, ist kein attraktiver Partner. Darüber hinaus muß die EU ihre ökonomische und politische Attraktivität steigern. Ein Partner, der seine eigenen ökonomischen und politischen Probleme nicht löst, ist kein attraktiver Partner, - weder für Trump noch für Biden.