24.02.2022 - Kommentare

Rückfall in die Welt von gestern

von Thomas Mayer


Nun hat Wladimir Putin also wahr gemacht, was US-Präsident Joe Biden seit einiger Zeit vorhergesagt hat: Den Einmarsch in die Ukraine.

Hier ein paar vorläufige Überlegungen dazu:

  • Putin will die Grenzen Russlands nach außen verschieben. Er wird vermutlich nicht seinen Traum verwirklichen und das Sowjetimperium wieder herstellen können. Aber er will seinen Anspruch auf die Ukraine durchsetzen. Die Ukrainer werden sich dagegen wohl stärker wehren als früher die Abtrünnigen im Sowjetimperium (DDR-, Ungarn-, Tschechoslowakei-Aufstand). Aber sie werden sich wohl nicht gegen die russische Armee durchsetzen können.
  • In früheren Konflikten mit dem Sowjetimperium war die Reaktion des Westens ein militärischer Aufmarsch an den NATO-Außengrenzen. Das wird sich jetzt wiederholen. Putin wird diese Grenzen wohl kaum durchbrechen wollen. Gegen eine militärische Einmischung von Seiten der NATO sichert er sich mit der Drohung eines Atomschlags ab.
  • Damals waren die wirtschaftlichen Beziehungen mit der Sowjetunion begrenzt. Man importierte vor allem Rohstoffe. Die Öl- und Gaslieferungen gingen weiter. Heute ist die Abhängigkeit Europas von russischen Rohstofflieferungen eher höher. Man wird versuchen, die Importe zu drosseln. Aber die europäische Abhängigkeit ist zu groß, als dass man sie beenden könnte. Und ich vermute, die Russen werden von sich aus den Gashahn nicht abrupt zudrehen, sondern Europa durch hohe Gaspreise lieber schröpfen.
  • Damals flohen nach der Niederschlagung der Aufstände Leute in den Westen. Allerdings war es schwieriger als heute, über die Grenzen zu kommen. Die Fluchtbewegung aus der Ukraine wird daher größer sein.
  • Auf den Finanzmärkten dürfte die Flucht in „sichere Häfen“ ebenfalls wieder ein gewichtiges Motiv sein. Also: stärkerer US-Dollar, festere Bond- und Aktienmärkte in den USA als in Europa, Ausweitung des Zins-Spreads in der Europeripherie.
  • Die Inflation wird durch die Rohstoffpreissteigerungen zusätzlich angefacht, aber die EZB dürfte ihre gerade begonnen Überlegungen einer vorsichtigen geldpolitischen Straffung noch einmal überdenken. Sie befindet sich in der unangenehmen Lage zwischen dem Hammer der Inflation und dem Amboss der wirtschaftlichen Rezession.
  • Ein mögliches Ende der gegenwärtigen Aktion: Installierung einer Marionettenregierung in der Ukraine, ein neuer kalter Krieg zwischen Russland und dem Westen und ein russlandfreundliches, aber weiterhin eigene Interessen gegen den Westen verfolgendes China.

Die Dinge sind im Fluss und wir wissen nicht genau wohin. Deshalb sind diese Überlegungen nur eine erste Einordnung.

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