13.03.2020 - Kommentare

Bleibt Donald Trump Präsident der USA?

von Norbert F. Tofall


Noch vor einem Monat dürfte eine große Mehrheit von politischen Analysten die Frage, ob Donald Trump die US-Präsidentenwahlen im November 2020 gewinnen wird, mit einem klaren Ja beantwortet haben. Heute ist diese Frage jedoch wieder offen. In der Corona Krise muß sich der Präsident der USA als oberster Krisenmanager bewähren. Bisher sieht es nicht danach aus, daß Donald Trump diese Bewährungsprobe besteht.

Donald könnte Trump durch die Corona-Krise gerade bei jenen Wählern an Zustimmung verlieren, denen die Impeachment-Frage um die Nötigung der ukrainischen Regierung, die Nordkorea-Politik von Trump und der Syrien- sowie der Irankonflikt wenig oder gar nicht interessieren. Diese Konflikte sind für den normalen Wähler schlicht und ergreifend weit weg. Der Corona-Virus ist jedoch auch in den USA angekommen. Eine Corona-Infektion kann jeden US-Bürger treffen. Deshalb ist die gesteigerte Aufmerksamkeit aller Wähler bei diesem Thema garantiert. Jeder Wähler wird ganz genau hinschauen, wie der Präsident agiert, ob er angemessen reagiert, ob er die Situation im Griff hat und ob er einem nachvollziehbaren Konzept folgt. Und jeder Wähler wird aufgrund der möglichen persönlichen Betroffenheit in der Corona-Krise mehr als genau hinschauen, wenn der Präsident widersprüchlich handelt oder überfordert ist.

Es gehört nicht viel Zeitaufwand sowie Intelligenz und tiefgreifender politischer Sachverstand dazu, um festzustellen, daß ein Führungsversagen vorliegt, wenn Präsident Donald Trump vor laufenden Kameras verkündet, es gäbe genügend Corona-Tests, während sein Vizepräsident Pence zwei Minuten später dieser Aussage sofort widerspricht. Und daß Donald Trump durch seinen Einreisestopp aus Europa einen schwarzen Donnerstag an den Börsen erzeugt hat, werden die US-Bürger, deren Alterssicherung von der Entwicklung der Kapitalmärkte abhängig ist, wohl kaum übersehen wollen, zumal dieser Einreisestopp an Widersprüchlichkeit nicht zu überbieten ist. Aus dem Schengenraum darf 30 Tage lang nicht in die USA eingereist werden, aus Großbritannien, in dem selbst schon Regierungsmitglieder mit Corona infiziert sind, aber schon.

Vermutlich will Donald Trump mit dieser Sündenbockpolitik davon ablenken, daß er von seinem großen Wahlkampfversprechen aus dem Jahr 2016 bislang nur seine Steuerreform durchsetzen konnte, was indes nicht zu verachten ist. Sein zweites großes Wahlkampfversprechen aus dem Jahr 2016, die Durchsetzung einer Gesundheitsreform und billige Medikamente für alle, scheiterte jedoch, was ihm in den kommenden Wochen und Monaten zum Verhängnis werden könnte. Denn Trumps Manie, komplexe Systeme durch Befehle und Anordnungen steuern zu wollen, hat dazu geführt, daß die Probleme des von Präsident Obama eingeführten Gesundheitssystems weiter verschleppt worden sind.

Dagegen mag man einwenden, daß sich am Gesundheitswesen in den USA bislang jeder die Finger verbrannt habe. Allerdings war es Präsi­dent Barack Obama im Jahr 2010 trotz massiver Widerstände gelungen, ein neues Gesund­heitssystem, Obamacare genannt, einzuführen. Und es war Donald Trump selbst, der im Wahlkampf vollmundig die Abschaffung von Obamacare zu einem seiner Hauptziele erhoben hat. Es war Trump selbst, der dann in den konkreten Verhandlungen – der Deal-Anbahnung – im Frühjahr 2017 öffentlich durch Inkompetenz und Ahnungslosig­keit in gesundheits­politi­schen Fragen glänzte und der mit seinem Deal-Making auf ganzer Linie versagte und seitdem die verantwortungslose Taktik verfolgt hat, das ganze Gesundheitssystem fiskalisch einfach vor die Wand fahren zu lassen.

Das ist nichts anderes als die Weiterführung von kumulier­ten Problemverschleppungen. Die real bestehenden Probleme des gegenwärtigen Ge­sundheitssystems in den USA wurden von Trump als Vehikel im Kampf gegen das Establishment und das System mißbraucht, was sich bei Ausbreitung der Corona-Krise nun für Trump rächen könnte. Sollte das amerikanische Gesundheitssystem durch die Corona-Krise aus den Fugen geraten, dann könnte die Situation eintreten, daß Trumps bisherige Wähler durch Erfahrungen am eigenen Leib zu der Einsicht gelangen, daß das Trump’sche Deal-Making die Probleme komplexer Systeme nicht löst, sondern diese weiter verschleppt. Und dann stellt sich die Wahl Trump versus Biden als Wahl zwischen Deal-Maker und verantwortungsvoller Staatsmann dar und nicht mehr als Outsider versus Establishment.

Trump will „Deals“ anstelle von allgemeinen und abstrakten Regeln und leitet die An­bah­nung von Deals mit Beleidigungen und Erpressungen der Gegenseite ein. Die Vor­liebe für Deals und die erpresserische Androhung von Schadenserzeugung folgt aus seiner frivolen Lust auf Furor und Krawall sowie aus seiner Manie, durch Befehle und Anord­nungen komplexe Systeme steuern zu wollen und das weltweit.

Durch das Trump’sche Deal-Making wird die „Schacherdemokratie“ (Friedrich August von Hayek) auf die Spitze getrieben, also jene Art von Sonderinteressenverfol­gung der politischen Akteure, welche die Demokratie zum Geschacher der politischen Eliten und Interes­senverbände deformiert. Die realen Probleme können unter den Strukturbedingungen der modernen Gesellschaft jedoch nur durch allgemeine und ab­strakte Regeln gelöst werden. Und dazu bedarf es schlüssiger Reformkonzepte und durchdachter machtpoliti­scher Umset­zungsstrategien. Vielleicht entsteht deshalb in den kommenden Wochen und Monaten für Joe Biden eine Chance, sich bei amerikanischen Wählern als echte Alternative in Szene zu setzen.

Donald Trump ist hingegen durch und durch mit dem politischen Formatfehler infiziert, eine Hand­lungsmethode der Kleingruppe und der persönlichen Face-to-Face-Beziehun­gen – Deals machen – auf die großen (anonymen, komplexen, global interdependenten) Verhältnisse der mo­dernen Gesell­schaft zu über­tragen. Ob die amerikanischen Wähler im Zuge der Corona-Krise zu der Überzeugung gelangen werden, daß Trumps Politikmethoden und -inhalte die komplexen Probleme der amerikanischen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts nicht zu lösen in der Lage sind, ist noch offen. Sollte sich diese Einsicht jedoch Bahn brechen oder sollte Trump einfach mehrheitlich als überforderter Leader wahrgenommen werden, dann sind seine Tage gezählt.

Dagegen ist Trump in der Demokratischen Partei ein Gegenkandidat erstanden, der für Besonnenheit und Kompetenz steht. Joe Biden konnte ein Comeback feiern und die Wahrscheinlichkeit, daß Joe Biden von der Demokratischen Partei als Präsidentschaftskandidat nominiert wird und nicht Bernie Sanders, ist enorm gestiegen. In den auf realclearpolitics.com zusammengefaßten Umfragen würden derzeit sowohl Biden als auch Sanders den Amtsinhaber Trump schlagen; Biden mit 50,7 Prozent bei 44,4 Prozent für Trump und Sanders mit 50,0 Prozent bei 45,0 Prozent für Trump. Ob sich diese Umfrageergebnisse dann auch in einer entsprechenden Anzahl von Wahlmännern widerspiegeln werden, ist natürlich offen. Aber je stärker und je länger die Corona Krise im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit steht, desto besser dürften die Chancen für Biden werden.