05.12.2022 - Studien
Die Inflation steigt seit mindestens eineinhalb Jahren schneller als es für die Zentralbanken hinnehmbar ist. Die Zentralbanken der größten Industrieländer mussten ihre Geldpolitik straffen um dem zunächst als vorübergehend bewerteten Inflationsdruck entgegenzuwirken. In den letzten Wochen löste ein Rückgang der Inflationsrate in den USA Euphorie in den Märkten aus, weil die Hoffnung geweckt wurde, die US-Notenbank Fed würde ihren Rhythmus geldpolitischer Straffung entschleunigen. Aber, sinkt die Inflation wirklich oder sehen wir bloß einen Basiseffekt, weil die Inflation letztes Jahr so schnell gestiegen ist?
Die Inflation wird als Veränderung eines Verbraucherpreisindizes gegenüber dem Vorjahresmonat definiert (YoY%). In den USA, zum Beispiel, betrug die Inflation Im Oktober 2022 7,8 %, die prozentuale Veränderung des Consumer Price Index (CPI) von Oktober 2021 (276,59) zu Oktober 2022 (298,06) (Abb. 1).
Veränderungen der Inflationsrate spiegeln deshalb nicht nur die jetzige Inflationsdynamik, sondern die Inflationsdynamik der letzten zwölf Monate wider. Die Inflationsrate in den USA ist von 8,2 % im September auf 7,8 % im Oktober gesunken, eine Veränderung von - 0,4 Prozentpunkten. Diese Veränderung entsteht aus der Differenz zwischen zwei monatlichen Veränderungsraten: +0,44 % zwischen September und Oktober 2022 und + 0,84 % zwischen September und Oktober 2021 (0,44% – 0,84% = - 0,4%). Weil der CPI zwischen September und Oktober 2022 weniger stieg als zwischen den gleichen Monaten des Vorjahres, ist die Inflationsrate gesunken.1 Der Basiseffekt sorgte also für einen Rückgang der Inflationsrate.
Weil die Entwicklung der Inflationsrate per Definition von der Dynamik im Vorjahresmonat abhängt, ist es möglich eine sinkende Inflationsrate zu sehen, obwohl der Inflationsdruck von einem zum nächsten Monat konstant geblieben ist. Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Die Oktober 2022 Inflationsrate betrug 7,8 %. Die monatliche Veränderung des CPIs war also im Durchschnitt 0,62%. Nimmt man an, der CPI erhält seine Dynamik und verändert sich ab November 2022 um 0,62% jeden Monat, würde die Inflationsrate (YoY%) zunächst weiter sinken (Abb. 2). Dieser Rückgang der Inflation wäre der Basiseffekt. Ab Juli 2023 würde die Inflationsrate wieder steigen, weil die monatlichen Veränderungen diesmal höher wären als die, der Vorjahresmonate. Die Inflationsrate würde dann ab Oktober 2023 den jährlichen Wert von 7,8 % erreichen.
Der Basiseffekt der von der US-Notenbank Fed präferierten PCE-Kerninflationsrate ist kleiner. Würde sich der Index monatlich verändern wie im Durchschnittswert der letzten 12 Monate (0,42 %), würde die Kern-Inflationsrate wegen des Basiseffekts zunächst leicht sinken und anschließend auf die eigentliche Inflationsrate von 5,2% wieder steigen (Abb. 3).
In der Eurozone dürfte eine Basiseffekt-Spitze der Inflation noch bevorstehen. Nimmt man an, dass die monatliche Veränderungsraten des HVPI so hoch wie im Durchschnitt seit November 2021 0,8% bleiben würden, würde die Inflation in der Eurozone zunächst noch bis Januar 2023 auf 11% steigen und dann, dank des Basiseffektes, leicht sinken (Abb. 4). Der Höhepunkt in der Inflationsrate kann also ein Artefakt sein.
Wie oben erwähnt, lässt sich die Veränderung der jährlichen Inflationsrate als die Differenz zwischen der monatlichen Veränderung des Preisindizes im aktuellen Jahr und der monatlichen Veränderung im Vorjahresmonats. Damit der Rückgang der Inflationsrate kein Artefakt ist, müssen die monatlichen Veränderungsraten in der Tendenz sinken. Dies war in den USA zwischen 1978 und 1983 der Fall (Abb. 5). War die monatliche Veränderung (gelbe Balken in Abb. 5) größer als im Vorjahresmonat (blaue Balken), gab es einen negativen Basiseffekt. Tendenziell gilt: waren die blauen Balken größer als die gelben, sank die jährliche Inflationsrate. Die jährlichen Veränderungsraten des CPIs stiegen, bis sich die Tendenz ab März 1980 umkehrte. Zum Teil war dies die Folge des Basiseffekts, weil die Monatsveränderungen 1979 größer waren als 1980. Entscheidend war allerdings, dass die monatlichen Inflationsraten in der Tendenz zurückgingen, da der Inflationsdruck abnahm.
Heute stellt sich die Frage, ob der gerade verzeichnete Hochpunkt der jährlichen Inflationsrate hauptsächlich vom Basiseffekt verursacht wurde. Seit Juli 2022 sind die monatlichen Veränderungen des CPIs deutlich niedriger als im Vorjahr, allerdings wieder mit steigender Tendenz nach dem Rücksetzer in diesem Monat (Abb. 6).
Zudem zeigen die monatlichen Veränderungsraten sowohl des gesamten CPIs als auch des Kern-CPIs (ohne Energie und Nahrungsmittel) in den USA noch keinen abnehmenden Trend (Abb. 7). Das gleiche gilt für die Eurozone, wo der Trend der monatlichen Veränderungsraten des Kern-Indizes nur geringfügig unter dem Trend in den USA, des gesamten Indizes aber deutlich höher liegt (Abb. 8).
Die Inflationsrate wird meist als die Veränderung eines Verbraucherpreisindizes gegenüber dem Vorjahresmonat definiert. Veränderungen der Inflationsrate beinhalten deshalb per Definitionem sowohl die Inflationsdynamik des vergangenen Monats als auch die Dynamik des gleichen Monats im Vorjahr. Wenn in einem Monat der Verbraucherpreisindex weniger stark steigt als er im gleichen Monat des Vorjahres gestiegen ist, sinkt die Inflationsrate. Dies ermöglicht einen Rückgang der jährlichen Inflationsrate, auch wenn die Inflation im aktuellen Monat im Schnitt der letzten 12 Monate liegt. Deshalb ist es möglich, dass die Inflationsrate einen Höhepunkt erreicht, ohne, dass sich die Inflationsdynamik abgeschwächt hat. Ist das der Fall, steigt die Inflationsrate nach einigen Monaten wieder.
Der jüngste Rückgang der Inflationsrate in den USA zeigt einen deutlichen Rückgang der monatlichen Veränderungsraten des CPIs im Juli. Seitdem steigen allerdings die monatlichen Veränderungen wieder. Daher spielt bisher der Basiseffekt eine wichtige Rolle. Entscheidend für die Zukunft wird sein ob die geldpolitischen Maßnahmen der US-Notenbank-Fed die Inflationsdynamik – den Trend der monatlichen Veränderungen - wirklich entschleunigt haben. Dies ist am Trend der Monatsraten bisher noch nicht zu sehen. In der Eurozone steigt der Trend der monatlichen Inflationsraten bisher noch an und ein Höhepunkt der Inflation ist vermutlich noch nicht erreicht. Wenn es so weit ist, muss geprüft werden, inwiefern dies vom Basiseffekt getrieben wird oder eine grundlegende Veränderung in der Inflationsdynamik zu verdanken ist.
1 Weil die prozentuale Veränderung durch die Differenz der natürlichen Logarithmen approximiert werden kann, kann die Veränderung der Inflationsrate πt wie folgt ausgedrückt werden: πt - πt1 = ln(CPIt) - ln(CPIt-1) - [ln(CPIt-12) - ln(CPIt-13)].
09.03.2021 - Makro
von Pablo Duarte
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