18.07.2024 - Kommentare

Trump und die Kapitalmärkte - Ist jetzt schon alles eingepreist? Zur Lage in den USA - Teil III

von Norbert F. Tofall


Die Kapitalmärkte haben am ersten Börsentag nach dem Attentat auf Donald Trump kaum reagiert. Denn Donald Trump liegt seit Wochen in den Umfragen zur US-Präsidentenwahl vor Amtsinhaber Joe Biden.1 Durch das gescheiterte Attentat auf Trump vergrößert sich zwar derzeit dieser Vorsprung, aber das heißt nichts anderes, als daß sich der bereits bestehende Trend verstärkt und damit die auf den Kapitalmärkten gehandelten Erwartungen bestätigt werden. Grundsätzliche Neubewertungen auf den Kapitalmärkten dürften erst dann folgen, wenn der bestehende Trend gebrochen wird oder wenn das politische Programm von Donald Trump aufgrund bislang vernachlässigter Risiken anders beurteilt werden sollte. Und bis zum 5. November 2024 ist dafür noch ausreichend Zeit.

Im Moment sieht es jedoch so aus, daß die Kapitalmärkte und insbesondere die Wall Street ihren Frieden mit Donald Trump geschlossen haben. Angekündigte Deregulierungen und Steuersenkungen und eine Stärkung der Wirtschaft werden mit seinem Programm verbunden und positiv bewertet. Doch ist damit wirklich schon alles eingepreist?

Trumps Zollpolitik wird in den USA im Moment noch positiv bewertet, weil die heimische Wirtschaft geschützt und auch Produktionsverlagerungen in die USA folgen könnten. Ob diese Bewertungen halten, falls die Inflation in den USA aufgrund der Importzölle steigt oder sich hartnäckig verstetigt, bleibt abzuwarten.2 Die Fed wird eine solche Entwicklung bei ihren Zinsentscheidungen jedoch nicht ignorieren können. Eine sich verstetigende oder sogar höhere Inflation bedeutet tendenziell höhere Zinsen.

Und da die Staatsverschuldung in den USA auf Rekordniveau angestiegen ist und nach Prognosen des IWF vermutlich weiter steigen wird, bedeuten weiterhin hohe Zinsen eine sehr hohe Zinslast im Staatshaushalt, was die Ausgabenmöglichkeiten des Staates beschränkt.

Daß die Zollpolitik von Donald Trump in Europa anders bewertet wird, liegt auf der Hand. Für Europa wird Trump von den Märkten überwiegend als Nachteil angesehen, siehe auch das folgende Schaubild:

Dazu kommen für Europa sicherheitspolitische Risiken, die in der europäischen Politik zwar gesehen werden und bereits in einigen europäischen Staaten zur Umstrukturierung der Staatshaushalte geführt haben. Eine Streichung der US-Hilfen für die Ukraine würde die Notwendigkeit höherer Verteidigungsausgaben in Europa jedoch nochmals massiv ansteigen lassen. Daß die Kapitalmärkte darauf reagieren werden, ist sicher.

Wie schnell mit einem derartigen Szenario zu rechnen ist, dürfte jedoch unter anderem davon abhängen, ob die Republikanische Partei, die Trump vollkommen unter Kontrolle hat, in beiden Häusern des Kongresses bei den Wahlen am 5. November 2024 die Mehrheit erringt. Sollte das der Fall sein, dann wird sich Trump aufgrund der drohenden Zwischenwahlen 2026 und der Möglichkeit, diese doppelte Mehrheit dann verlieren zu können, mehr auf die Innenpolitik konzentrieren und weniger auf die Außenpolitik, wo er unabhängig von der Mehrheitsverteilung im Senat und Repräsentantenhaus deutlich mehr Fußfreiheit hat. Sollte er innenpolitisch aufgrund unterschiedlicher Mehrheiten im Senat und Repräsentantenhaus mit seinen Projekten nur schleppend vorankommen oder blockiert werden, wird er seinen Handlungsfokus auf die Außenpolitik legen.

Daraus sollte jedoch nicht geschlossen werden, daß Trump bei einer Mehrheit der Republikaner in beiden Häusern des Kongresses keine schnellen Änderungen der Ukrainepolitik seines Vorgängers angehen wird. Die Wahrscheinlichkeit, daß es sehr schnell nach seiner Amtseinführung im Januar 2025 sehr heftig wird, ist bei geteilten Mehrheiten jedoch noch größer. Die kapitalmarktrelevante Frage lautet auf jeden Fall: Ist dieses Szenario, das erhebliche Folgen für die europäischen Staatshaushalte und die Staatsverschuldung nach sich zieht, bereits vollständig auf dem Kapitalmarkt eingepreist?

Während sich diese Bewertungsfragen in den nächsten Monaten stellen werden, dürften die ökonomischen und ordnungspolitischen Folgen von Trumps Ankündigung, den Deep State zu vernichten, eher mittel- und langfristig in den Fokus der Kapitalmärkte geraten. Trump will mindestens 100 000 Personen in Exekutive und Justiz austauschen und jeden, der sich ihm bisher in den Weg gestellt hat. Der Deep State müsse vernichtet werden, weil der ihm den Wahlsieg 2020 gestohlen und bereits vorher den Erfolg seiner ersten Amtszeit hintertrieben habe. Niemand weiß, wie weit Donald Trump hier gehen wird. Es besteht aber auf jeden Fall die Gefahr, daß die Checks-and-Balances verletzt werden könnten und insbesondere die Unabhängigkeit der Justiz.

Bislang wird jedoch nicht erörtert, daß diese politischen Struktur- und Gewaltenteilungsfragen ökonomische Folgen zeitigen werden. Trumps Protektionismus und seine Vorliebe, komplexe Systeme durch Befehle und Anordnungen steuern zu wollen, lassen bereits vermuten, daß sich unter Trump eine ausgeprägte Günstlingswirtschaft etablieren könnte. Die Ansätze waren bereits in seiner ersten Amtszeit zu erkennen. Wie so etwas vor sich geht, kann übrigens auch in Ungarn beobachtet werden. Sollte Trumps Ankündigung, den Deep State zu vernichten, zu einer Beschädigung der Checks-and-Balances und zu einer Aushebelung der Unabhängigkeit der Gerichte führen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit für den Ausbau einer ausgeprägten Günstlingswirtschaft weiter an.

Daß sich in den letzten Wochen vermehrt reiche Unternehmer wie Elon Musk und andere auf die Seite von Trump schlagen, wird damit zu tun haben, daß man im Falle eines Wahlsieges von Trump mit am Tisch sitzen will, um Sondervorteile für sich zu erlangen. Das hat jedoch nichts mit Kapitalismus und nichts mit sozialer Marktwirtschaft zu tun. Das ist das genaue Gegenteil!

Für die Kapitalmärkte wird sich deshalb früher oder später die Frage stellen, ob mit einer derartigen Günstlingswirtschaft die USA wirklich wieder groß gemacht werden kann. MAGA - „Make America great again“ – könnte sich mittel- bis langfristig als Abrißunternehmen mit kurzfristigen positiv erscheinenden ökonomischen Effekten entpuppen. Aber dann war es bestimmt wieder der Deep State, der dafür verantwortlich ist und nicht Donald Trump und erst recht nicht J.D. Vance, der den Trumpismus in die Zukunft tragen soll.


1 Siehe Norbert F. Tofall: Zur Lage in den USA – Teil II. Wahlumfragen und Lebenshaltungskosten, Zölle und Handelskrieg mit China, Kommentar zu Wirtschaft und Politik des Flossbach von Storch Research Institute vom 17. Mai 2024, online: https://www.flossbachvonstorch-researchinstitute.com/de/kommentare/zur-lage-in-den-usa-teil-ii-wahlumfragen-und-lebenshaltungskosten-zoelle-und-handelskrieg-mit-ch/

2 Zudem sollte beachtet werden, daß Trumps Handelspolitik in seiner ersten Amtszeit in den betroffenen Regionen der USA nicht zur Verbesserung der ökonomischen Lage geführt haben. Siehe David Autor, Anne Beck, David Dorn and Gordan H. Hanson: Help for the Heartland? The Employment and Electoral Effects of the Trump Tariffs in the United Staates, Working Paper 32082, National Bureau of Economic Research, January 2024, online: https://www.nber.org/papers/w32082

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