13.03.2020 - Kommentare
Die Aktienmärkte erleben in diesen Tagen Kursstürze historischen Ausmaßes. Aufgrund der Corona-Pandemie herrscht an den Börsen die blanke Panik. Der 12. März 2020 dürfte seinen Eintrag in den Börsengeschichtsbüchern sicher haben. Am Ende des Handelstags wies die DAX-Kurstafel auf dem Frankfurter Parkett einen Verlust von 12,5 % aus. Dies bedeutet den zweitgrößten Kurseinbruch in der Geschichte des Börsenbarometers. An nur einem Tag haben sich beim DAX-30 mehr als 100 Milliarden Euro Marktkapitalisierung in Luft aufgelöst. Fast schien es so, als wäre alles, was nicht niet- und nagelfest war, völlig undifferenziert abverkauft. Die zentrale Frage, wie es um die Krisenresistenz einzelner Unternehmen bestellt ist, spielte offenbar keine Rolle.
Zweifelsohne kann derzeit niemand auch nur annähernd abschätzen, wie groß die ökonomischen Folgen der Corona-Krise tatsächlich sein werden. Dies muss derzeit sowohl in Bezug auf die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen als auch hinsichtlich der Folgen für einzelne Unternehmen zu großen Teilen als Kaffeesatzleserei abgetan werden. Reisebeschränkungen, unterbrochene Lieferketten oder generelle Konsumzurückhaltung werden beim Gros der Konzerne Umsatzrückgänge verursachen. Der Frage der Krisenresistenz einzelner Unternehmen kann man sich jedoch nähern, indem man sich vor Augen hält, inwieweit das jeweilige Geschäftsmodell von der Ausbreitung des Virus betroffen ist. Hier gilt es zu differenzieren. So ist es kaum verwunderlich, dass die sogenannten „stay at home“ Aktien gerade reüssieren während konjunktursensitive Unternehmen an den Aktienmärkten besonders stark abgestraft werden.
Neben dem Geschäftsmodell gilt es stets, die jeweilige Bilanzqualität eines Unternehmens zu berücksichtigen. Hat ein Unternehmen wenig Schulden, die es abtragen muss, so ist auch die Zinslast gering und es bleibt mehr Luft, um operative Ausgaben stemmen zu können. Lieferanten und Mitarbeiter wollen schließlich auch in Krisenzeiten bezahlt werden. Zudem spielt die Profitabilität eines Unternehmens eine entscheidende Rolle. Kann ein Unternehmen vergleichsweise hohe Margen generieren, so werden diese zwar unter Druck kommen, da man die Kostenstruktur nicht so einfach den plötzlich wegbrechenden Cashflows anpassen kann. Doch dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen auch in Krisenzeiten seine Fixkosten decken kann, bei entsprechend auskömmlichen Margen, hoch sein.
Die Zinslast eines Unternehmens lässt sich aus seiner Nettoverschuldung ableiten. Die Nettoverschuldung zeigt an, wie hoch der Schuldenberg ist, den ein Unternehmen nach Abzug seiner liquiden Mittel vor sich herschiebt. Um die relative Höhe zu bestimmen, bietet es sich an, diesen Schuldenberg ins Verhältnis zum Gesamtvermögen des Unternehmens zu setzen. Je niedriger die entsprechende Kennzahl ist, desto mehr „Luft“ bleibt dem Unternehmen im Falle einer Krise. Um die Profitabilität zu bestimmen, kann man sich vor Augen führen, wie viel Cent von einem Euro an Umsatzerlösen übrigbleiben.
Wie steht es nun um die Krisenresistenz der DAX-30 Unternehmen? Teilt man die Konzerne in Abhängigkeit der seit dem Jahresanfang erlittenen Kursverluste in zwei jeweils gleich große Gruppen auf, so zeigen sich bei den ermittelten Relationen interessante Auffälligkeiten (Abbildung 1). So weist die Gruppe der Unternehmen, die vergleichsweise weniger starke Kursverluste erlitten haben (Gruppe 1), eine niedrigere Nettoverschuldung sowie eine höhere Profitabilität auf. So bleiben von einem Euro Umsatz bei dieser Gruppe knapp 16 Cent übrig, während es bei Gruppe 2 nur neun Cent sind. Die Schuldenlast der Unternehmen in Gruppe 2 ist hingegen fast doppelt so hoch wie in Gruppe 1. Der Markt weiß offenbar um die Qualität dieser Unternehmen, was sich nicht nur in einer relativen Outperformance niederschlägt, sondern ebenso an der höheren Bewertung zeigt. Während man für die Unternehmen aus Gruppe 2 im Durchschnitt nur gut das Zehnfache des Jahresgewinns zahlen muss, beträgt das KGV für die erste Gruppe 16,7.
Dies zeigt: Der Markt ist derzeit zwar launisch und neigt zu Übertreibungen. Anders als eingangs vermutet, verfährt er jedoch nicht nach der Devise „Alles muss raus!“. Vielmehr besinnt er sich in stürmischen Zeiten offenbar auf eine einfache Handelsmaxime: Cash is King!
"Die Welt" vom 04. März 2020
von Thomas Mayer
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