20.05.2019 - Kommentare
Daß eine globale Erderwärmung zu beobachten ist, bestreitet niemand. Über die Fragen, was die Ursachen der Erderwärmung sind und wie sich die globale Erwärmung weiterentwickeln könnte, muß jedoch gestritten werden.
„Wenn der weltweite Kohlendioxidausstoß 2030 immer noch steigt, wird es zu spät sein“, sagte bereits im Jahr 2015 der Klimaforscher Mojib Latif vom Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung voraus. Die Menschheit hätte deshalb nur noch bis 2030 Zeit, den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Diese und ähnliche Voraussagen scheinen auch viele Schulstreikende der Bewegung „Fridays for Future“ zu motivieren.
Hinweise, daß bereits mittelalterliche Ketzersekten regelmäßig den Weltuntergang vorausgesagt haben, um die Menschheit zum Handeln in ihrem Sinne zu nötigen, oder die Zeugen Jehovas den Weltuntergang erst auf 1914, dann auf 1918, dann auf 1925 oder dann auf 1975 terminierten, dürften Greta Thunberg und ihre Gefolgschaft wohl leider ebenso wenig zum Nachdenken anregen wie Ausführungen zum kritischen Rationalismus und zur Falsifizierbarkeit von Theorien, die auf die kritische und notwendige Überprüfung von naturwissenschaftlichen Aussagen zielen.
Daß in den letzten Jahren eine globale Erwärmung der Erde zu beobachten ist, bestreitet niemand. Über die Fragen, was die Ursachen dieser beobachteten Erwärmung sind und wie sich aufgrund welcher Faktoren die globale Erwärmung weiterentwickeln könnte, muß jedoch gestritten werden und das gerade dann, wenn man die beobachtete globale Erwärmung ernst nimmt und sie gerade nicht leugnet. Daß es unterschiedliche Theorien zur Erklärung der globalen Erderwärmung gibt, zeigt das ernsthafte Bemühen der jeweiligen Wissenschaftler, mit wissenschaftlichen Methoden Ursachen und mögliche Folgen zu erforschen. Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist sowohl ganz allgemein um der Freiheit der Menschen willen als auch konkret um des wissenschaftlichen Fortschritts willen notwendig. Die gegenseitige Kritik an konkurrierenden Theorien dient dem wissenschaftlichen Fortschritt. Die Unterdrückung von Kritik und wissenschaftlichem Wettbewerb behindert und unterdrückt den Erkenntnisfortschritt.
In den letzten Jahren konkurrieren zwei „Idealtypen“ von Theorien zur Erklärung der globalen Erderwärmung miteinander. Zum einen wird behauptet, daß der Klimawandel menschengemacht sei (industrielle Produktionsweise, Auto- und Flugverkehr etc.), zum anderen wird behauptet, daß der Klimawandel auf natürliche Ursachen zurückgehe (veränderte Sonneneinstrahlung etc.). Auffällig ist bei dieser Frontstellung bereits, daß zumindest in der Öffentlichkeit kaum über Theorien berichtet wird, die einen Mix aus beiden Ursachenerklärungen betrachten, was natürlich sofort die Frage der Gewichtung in die Öffentlichkeit tragen würde: Wieviel Mensch? Wieviel Natur? Die jeweils andere Ursache von vornherein auszuschließen oder per Annahme unterzugewichten, dürfte ein nicht geringes Problem der Theorieformulierung darstellen. Allein die aus methodologischen Problemen folgenden grundlegenden Unsicherheiten, die aus menschlichen Aktivitäten folgenden Anteile der Erderwärmung zu quantifizieren und von der natürlichen Klima-Variabilität zu trennen, sind nicht zu unterschätzen. Und ob alle für die globale Erwärmung relevanten Faktoren der menschlichen Aktivität überhaupt erfaßt und in ihrer komplexen Interdependenz erschlossen werden können, ist mehr als fraglich. Jede naturwissenschaftliche Theorie muß deshalb notgedrungen Komplexitätsreduktion leisten. Und eine naturwissenschaftliche Theorie gilt dann als falsifiziert, wenn eine Beobachtung einer von ihr behaupteten Aussage widerspricht.
Nun verläuft innerhalb der Klimawissenschaft eine Trennlinie zwischen jenen Wissenschaftlern, die primär Computersimulationen zur Erforschung der Ursachen und Folgen der globalen Erwärmung verwenden und an deren errechnete Ergebnisse glauben, und jenen Wissenschaftlern, die primär empirische wissenschaftliche Beweise anerkennen, also Beobachtungen in der realen Welt.1 Die vom sog. Weltklimarat IPCC zusammengefaßten Klimastudien sind in der Regel Studien, die mittels Computersimulationen erstellt wurden.
Nun neigt die Gruppe der „Computersimulatoren“ dazu, sich auf die möglichen Risiken eines zukünftigen Klimawandels zu konzentrieren und eine massive globale Verminderung des globalen CO2-Ausstoßes zur Rettung des Weltklimas zu fordern. Aber wie in allen Theorien können auch in den Computersimulationen dieser Wissenschaftler Annahmen falsch sein und Kausalitätszusammenhänge falsch oder ungenügend konzipiert worden sein. Ob die Menschheit also wirklich nur bis 2030 Zeit hat, das Weltklima zu retten, ist eine alles andere als sichere Aussage. Die andere Gruppe von Wissenschaftlern neigt hingegen dazu, das gesamte Problem der Ursachenerklärung der Erderwärmung und die daraus resultierende Folgenabschätzung wie ein Geschäftsmann zu betrachten, welcher Möglichkeiten, Kosten, Vorteile und Risiken austariert. Grob gesprochen: Die erste Gruppe behauptet den Weltuntergang, weshalb die Menschheit ihre Wirtschafts- und Lebensweise radikal ändern muß, koste es, was es wolle. Die andere Gruppe weist darauf hin, daß diese Forderung auf einer wissenschaftlich nicht bewiesenen Aussage über die Zukunft der Menschheit beruhe. Bereits die Voraussagen der Studie des Club of Rome aus dem Jahr 1971 über die Grenzen des Wachstums und auch die Voraussagen über das Waldsterben wären überwiegend falsch gewesen.
Heute ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre um ca. 46 Prozent höher als in vorindustrieller Zeit. Daraus wird der Schluß gezogen, daß die Menschheit ihre industrielle Produktionsweise ändern müsse. Daß die heutige CO2-Konzentration in der Atmosphäre heute aber ca. viermal niedriger ist als die mittlere CO2-Konzentration in der Erdgeschichte und zehnmal niedriger als zur Zeit der höchsten CO2-Konzentration, wird meistens verschwiegen. Allein diese Tatsache sollte uns zum Nachdenken darüber anregen, ob wir unseren Wohlstand, unsere Lebensweise und vermutlich leider auch unsere Freiheit auf dem Altar von unsicheren Computersimulationen opfern wollen. Apocalypse now? „When people say that they believe in the climate change crisis because they ‘believe in science’ what they may actually be saying is that because they don’t really understand the science they choose to believe in the alarmist narrative promoted by the authorities and abetted by the media.”2
Die Zukunft ist offen. Und wer behauptet, die Zukunft voraussagen zu können, will die Menschheit in der Regel zum Handeln in seinem Sinne nötigen. Wir sollten uns deshalb nicht die Freiheit nehmen lassen, die naturwissenschaftlichen Aussagen über den angeblich bevorstehenden Weltuntergang mehr als kritisch zu hinterfragen. Das ist nicht einfach. Ian Aitken schreibt dazu: „The fundamental problem with the climate change problem is that it is a ‘wicked’ problem: it is impossible to predict our climate future, determine whether it is benign or alarming and know how best to respond because there are simply too many variables, too many unknowns and too many uncertainties. However we choose to respond is a vast gamble with humanity’s future; however we choose to respond may result in deep regrets.”3
Aitken scheint der Verzweiflung nahe zu sein, weil ihm – wie vielen Zeitgenossen in den westlichen Gesellschaften unseres frühen 21. Jahrhunderts – die grundlegende Einsicht abhandengekommen ist, daß das „wicked problem“ kein Ausnahmefall ist, sondern zum Normalfall der conditio humana gehört. Die Menschheit mußte immer unter diesen Bedingungen leben. Und immer waren Menschen angesichts dieser Bedingungen versucht, diese Last des menschlichen Erdendaseins durch Vereinfachungen und durch Weltuntergangsszenarien emotional erträglich zu machen. Im Angesicht des „sicheren“ Weltuntergangs scheint sich für viele Menschen das Problem zu lösen, auf dieser Erde ihr Leben in Unsicherheit bewältigen zu müssen. Daß es sich hierbei um einen negativen Konstruktivismus handelt, der genauso auf Anmaßung von Wissen beruht wie die vielen Paradies-auf-Erden-Utopien, wäre das eigentliche Bildungsthema für unser Schulsystem. Es gab in Deutschland und in den westlichen Gesellschaften mal eine Zeit, in der man Bildungsreformen gefordert hat, um kritisches Denken und emanzipatorisches Handeln zu fördern. Heute scheint die Dialektik der Aufklärung aber selbst im Bildungssektor schonungslos zugeschlagen zu haben. Dabei könnten „Fridays for Future“ wirklich zukunftsträchtig werden, wenn man sich an der Stelle von Schulstreiks dem „wicked problem“ in den Schulen stellen würde.
1 Siehe dazu Iain Aitken: Climate Change Misconceived, Blogbeitrag vom 6. Mai 2019, online abrufbar unter: wattsupwiththat.com/2019/05/06/climate-change-misconceived/
2 Ebenda.
3 Ebenda.
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